Für den Samstag, 18.02.2021 haben wir, als Teil des Bündnis Gemeinsam & Solidarisch gegen Rechts zu einer inhaltlichen Kundgebung für gerechte Krisenlösungen und gegen „Querdenken“ mobilisiert. (Nachbericht Bündnis) Dem Aufruf „Reutlingen nicht den Rechten überlassen! – Gegen den Schulterschluss von „Querdenken“ und Faschist*innen auf die Straße“ folgten um die 200 Menschen. Davon ca. 50 Antifaschist*innen aus Tübingen, mit denen wir zusammen angereist sind. Mit einem großen Banner und einem Redebeitrag haben wir uns an der Bündniskundgebung beteiligt und ausgedrückt, dass man nicht Schulter an Schulter mit Faschist*innen auf die Straße gehen muss, um eine Kritik an den aktuellen Verhältnissen zum Ausdruck zu bringen. Denn eins ist klar: So, wie es gerade ist, ist es beschissen! Um das zu erkennen braucht es aber keine rechts-offene Bewegung wie „Querdenken“. Denn als Linke ist uns schon lange vor Corona klar gewesen: Erst, wenn wir dieses kapitalistische System überwinden, können wir ein gutes Leben für alle aufbauen. Die aktuelle „Corona-Krise“ ist nicht der Ursprung des Problems, sondern eher ein Motor, der existierende Widersprüche und Ungerechtigkeiten rasant verschärft. Schon vor der Pandemie gab es genug Gründe, gemeinsam mit den Pflegekräften für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße zu gehen, es gab genug Gründe, das kaputt gesparte Gesundheitssystem und die Patentierung von Medizin zu kritisieren, es gab genug Gründe, staatlicher Repression unsere Solidarität entgegen zu stellen und verschärfte Polizei- und Versammlungsgesetze als Angriff auf alle fortschrittlichen Bewegungen zu werten, und es gab genug Gründe, Seite an Seite gemeinsam mit denen zu kämpfen, die besonders von den sich verschärfenden Widersprüchen im Kapitalismus betroffen sind.
Um genau das zum Ausdruck zu bringen, haben wir uns für den letzten Samstag dafür entschieden, unsere Kapazitäten und Ressourcen in eine gute inhaltliche Gegendarstellung zum Gefasel von „Querdenken“ zu stecken. Diese Kundgebung als Anlaufstelle und Rahmen für alle, die berechtigte Kritik am aktuellen und vergangenen Pandemie-Management haben, sich aber klar von den reaktionären und rechten Ideen der „Querdenker*innen“ abgrenzen wollen. Die Kundgebung sollte aber auch ein Ort sein, an dem wir über die akute, körperliche Gefahr sprechen, die von Faschist*innen, vor allem für Migrant*innen und Linke ausgeht. Wir haben darüber gesprochen, was es konkret bedeutet, wenn Nazis unbehelligt und ohne Widerstand durch unsere Städte laufen, in ihrem Rücken eine rechts-offene Bewegung wie „Querdenken“, in deren Schutz sich Faschist*innen und Rechte nun auf die Straße trauen. In Reutlingen sprechen wir dabei vor allem von der faschistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ und der AfD.
Im Anschluss an die Kundgebung gab es zwar Versuche, die „Querdenker*innen“ mit unserem Protest zu stören. Aber ganz kurz und knapp gesagt: An dem Abend vom letzten Samstag war nicht viel zu holen! Deshalb haben wir die Proteste gegen 19 Uhr aufgelöst und sind mit 150 Antifaschist*innen in Form einer lauten Spontandemonstration zurück zum Bahnhof gelaufen. Zu diesem Zeitpunkt hatten es die „Querdenker*innen“ noch nicht geschafft, los zulaufen. Wie sich später herausstellte, sollte es aber nicht dabei bleiben! Wieder zogen am letzten Samstag mehrere hundert „Querdenker*innen“ durch Reutlingen und wieder mit dabei die Faschisten vom „Dritten Weg“. Aufgrund deren schlechter Organisation in diversen Telegram-Gruppen, angemeldeten Gegendemonstrationen und einem enormen Polizeiaufgebot wurde der sog. Lichterspaziergang der „Querdenker*innen“ aber eher zum ungemütlichen Spießrutenlauf, statt zu einer fröhlichen Corona-Party. Trotzdem: Jede Woche, die die „Querdenker*innen“ weitestgehend ungestört von unserem Protest durch Reutlingen strömen, fühlen sie sich gestärkt und bestätigt.
Und machen wir uns nichts vor: Es bildet dabei auch Stand unserer Bewegung in der Region ab, dass es uns in dieser kurzen Zeit nicht möglich war, sowohl eine solide Kundgebung zu organisieren, als auch ein gutes Konzept für direkte Proteste im Anschluss zu planen. Dazu kommt, dass wir uns als antifaschistische Bewegung sei es in Reutlingen, Freiburg, in Überlingen, Jena, Freiberg oder vor einem Jahr in Stuttgart mit einer eher ungewohnt großen Menge an Menschen konfrontiert sehen, unter die sich fast überall organisierte Nazis mischen oder diese sogar mit anführen. Oft stehen auf unserer Seite deutlich weniger. Das bedeutet zwar nicht, dass in solchen Situationen direkter Protest unmöglich ist. Aber: auch wegen dem massiven Polizeiaufgebot, wie wir es letzte Woche in Reutlingen hatten, müssen wir uns gut und gemeinsam vorbereiten. Denn Aufgabe von uns Antifaschist*innen ist es neben der Entlarvung von rechten, pseudosozialen Phrasen auch, rechte und faschistische Kräfte aus einer Bewegung wie „Querdenken“ rauszudrängen und zu verhindern, dass sie sich wie in Sachsen oder Östererreich an deren Spitze stellen. Genau diese Lücke wollen wir beim nächsten Mal schließen: ein Ort dafür ist unser monatliches „Offenes Treffen gegen Faschismus und Rassismus“, zu dem alle herzlich eingeladen sind, sich zu beteiligen – je mehr wir in der Vorbereitung sind, desto besser die Proteste!
Ob in Reutlingen oder anderswo: Gegen den Schulterschluss von „Querdenken“ und Faschist*innen!