Für den Montag, 11. Mai um 17 Uhr wurde über social-media eine der sog. Hygienedemos in der Reutlinger Innenstadt beworben. Diese wurde in einem facebook-Post von Daniel Jones (facebook- Profil: Jones Dany, s. Bild 01) vom 06. Mai 2020 angekündigt. Noch am selben Tag wurde der Post von der offiziellen facebook-Seite der „AfD Münsingen Alb“ geteilt. Zwei Tage später fand sich der Post dann auch im facebook-feed der AfD Reutlingen wieder (s. Bild 02). Diese fügte aber noch die Bitte hinzu, die Teilnehmer sollten Masken tragen. Davon war heute bei den Veranstaltern und den Teilnehmern wenig zu sehen. Anders, als bei anderen „Grundrechte-Demos“, wie bspw. in Stuttgart, ist der Anmelder und Initiator der Reutlinger Kundgebung, Daniel Jones (s. Bild 03), Mitglied bei der AfD. Mehr noch, er ist Teil des Kreisvorstand der AfD Reutlingen und Sprecher der AfD Münsingen. Für diese sprach er dann auch als erster Redner der Kundgebung. Die zweite Rede übernahm sein Vorstandskollege Hansjörg Schrade (s. Bild 04), der als Quellen bspw. die Redner der Samstagsdemos in Stuttgart, „Tichys Einblick“ oder „Die Achse des Guten“ zitierte. Ein ähnliches Bild zeichnete sich auch im Publikum ab. Der Großteil der maximal 20 Teilnehmer schien es offensichtlich nicht zu stören, dass die beiden einzigen Redner für die AfD sprachen. Auch der Regenschirm und die Technik, die den kläglichen AfD-Haufen etwas vor dem strömenden Regen schützen sollten, wurden kurz vor Kundgebungsbeginn von Hansjörg Schrade angeliefert (s. Bild 05).
Spontan entschloss sich das Bündnis Gemeinsam & Solidarisch gegen Rechts Reutlingen und Tübingen dazu, die Veranstaltung kritisch zu begleiten. Ca. 30 Antifaschist*innen beflyerten vorbeigehende Passant*innen . In dem Flyer (s.u.) wurde darauf aufmerksam gemacht, dass es grundsätzlich wichtig ist, Freiheitsrechte zu verteidigen. Dies aber mit der AfD zu tun ähnlich ist, wie Feuer mit Benzin zu bekämpfen. Einige Unentschlossene konnten durch die Flyer vom Teilnehmen der Kundgebung abgehalten werden. Es wurde außerdem mit Parolen klar gemacht, dass es sich bei den selbsternannten Grundrechtsrechtsverteidigern auf dem Marktplatz um die Freiheitsfeinde und Höcke-Freunde der AfD Reutlingen handelt.
Fazit: Die Kundgebung gestern Nachmittag war eine eindeutige AfD Veranstaltung. Sie konnte, ob dem Regen geschuldet oder nicht, nur einige wenige Hartgesottene anziehen. Ob das so bleibt ist momentan noch nicht eindeutig zu sagen. Daniel Jones zumindest kündigte weitere Veranstaltungen dieser Art an. Und wie wir in den vergangenen Wochen leider alle bitterlich feststellen mussten, tummelten sich in anderen Städten, auch bei den Stuttgarter Kundgebungen, eine Mischung aus Impfgegnern, Verschwörungstheoretikern, wirklich ums Grundgesetzt besorgte und rechte bis offenen faschistische Kräfte. Vor allem auf die Stuttgarter Veranstaltung, bei der das rechte „Compact“-Magazin einen eigenen Stand, u.a. Christina Baum und Stefan Räpple (AfD-Landtagsabgeordnete) anwesend waren und waschechte Faschos mit „nationaler Widerstand“-Shirts Ordnerbinden trugen, bezogen sich Schrade und Jones in ihren Reden.
Wir werden das weiter beobachten! Keine AfD-Veranstaltung in Reutlingen ohne unseren Protest!
Flyertext vom Bündnis Gemeinsam & Solidarisch gegen Rechts:
Freiheitsrechte verteidigen – ohne Schulterschluss mit Rechten!
Heute demonstrieren in Reutlingen, wie in den vergangenen Tagen in der ganzen BRD, Menschen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona Pandemie. Kritik an Einschränkungen unserer Freiheitsrechte ist grundsätzlich wichtig. Entscheidend ist an dieser Stelle, wie diese Kritik formuliert wird und mit wem man sich gemeinsam auf die Straße stellt.
Maßnahmen, welche die Ausbreitung des Coronavirus effektiv einschränken, sind sinnvoll. Es geht hierbei nicht nur um Selbstschutz, sondern insbesondere auch um den Schutz sogenannter Risikogruppen. Die starken Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit müssen in jedem Fall kritisch begleitet werden, das Recht auf Versammlungsfreiheit verteidigt werden. So lassen sich beispielsweise auch Kundgebungen mit ausreichenden Abständen durchführen.
Bei den sog. Hygiene-Demos aber, die in den vergangenen Wochen überall, auch in Stuttgart, statt fanden, mischten maßgeblich auch rechte bis hin zu offen faschistische Kräften mit. Auch in Reutlingen hat die AfD den Aufruf zur heutigen Kundgebung über ihre facebook-Kanäle geteilt. Die Reutlinger AfD und ihre Repräsentanten, wie Hansjörg Schrade oder auch Hans Peter Stauch sind aber gewiss keine Freunde der Freiheit sondern Fans des faschistischen Höcke-Flügels innerhalb der AfD. Als TrittbrettfahrerInnen versucht die AfD nun bundesweit die Demonstrationen zu vereinnahmen und von ihnen zu profitieren. Bisher forderte sie in ihrem Programm aber viel mehr eine strikte Law and Order Politik, den Ausbau der Rechte von Polizei und Überwachung und stimmte bspw. In Mecklenburg-Vorpommern für die Verschärfung der Polizeigesetzte. AfDler und andere Faschisten auf Kundgebungen für Freiheitsrechte ist wie Feuer mit Benzin zu löschen. Denn was sie unter Freiheit verstehen, sieht man, wenn es um ihre Haltung zur Bewegungsfreiheit von Geflüchteten, die Gleichberechtigung von Frauen oder gleichgeschlechtlichen Paaren oder die Freiheit von Menschen anderer Religionen geht. Wenn man Rechte nicht konsequent von seinen Kundgebungen verweist, darf man sich nicht wundern, wenn diese den Platz, den man ihnen als legitime BündnispartnerInnen anbietet, auch einnehmen.
Vor Corona sind nicht alle gleich.
Im Zuge von Corona hat sich die Situation, die für einen Großteil der Bevölkerung davor schon oft nicht prickelnd war, noch weiter verschärft: Arbeitslosigkeit, fehlende Kinderbetretung trotz Home-Office, ein möglicher Kollaps des Gesundheitssystems. Viele Menschen werden derzeit mit Kurzarbeiter-Geld abgespeist. Das bedeutet 60 oder 67% des oftmals sowieso schon knapp bemessenen Lohns. Dazu kommt die Angst und die Sorge um die Gesundheit von Freund*innen und der Familie. Die Leute, die das „Privileg“ haben weiter zu arbeiten, sind in Unternehmen ohne Gesundheitsschutz und ohne ordentlicher Mitbestimmung durch einen Betriebsrat, Personalrat oder einer Mitarbeiter*innenversammlung, einem hohen Risiko ausgesetzt krank zu werden.Während ein Großteil der Menschen unter diesen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Problemen leidet, werden großen Konzernen, mit viel Kapital, Milliardenhilfen zugeschanzt.
Wenn wir auf die Straße gehen, um fortschrittlich für Freiheitsrechte zu demonstrieren, müssen wir auch auf die Probleme und Widersprüche dieses Wirtschaftssystems hinweisen, die viele momentan in besonderem Maße treffen. Die AfD und ihre Verbündeten hatten darauf auch vor Corona schon keine echten Antworten. Auch Verschwörungstheorien und die Leugnung von Krankheiten lösen diese reellen Probleme nicht, sondern verschärfen sie im Zweifel sogar.
Freiheitsrechte verteidigen mit klarer Kante gegen Rechts!