Rückblick: 4 Jahre nach Hanau – Erinnern und Kämpfen in Tübingen!

Am 19. Februar 2020 ermordete ein polizeibe-kannter Rechter bei einem rassistischen Ter-roranschlag in Hanau neun Menschen.

Wir erinnern an: Mercedes Kierpacz, Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.

Um die Erinnerungs- und Gedenkkultur lebendig zu halten und nicht in eine Ritualisierung zu verfallen, die dem Tag nicht gerecht werden würde, haben wir dieses Jahr statt einer Demonstration durch die Stadteine Ausstellung und einen Vortrag im Linken Laden Trude Lutz organisiert.

In der Ausstellung waren in unterschiedlichen Stationen viele der Materialien zu sehen, die wir in unserer Auseinandersetzung mit Hanau über die letzten vier Jahre erarbeitet haben. Darunter waren unter anderem Informationen zum Tathergang und der Aufarbeitung der rassistischen Morde, die Kurzbiographien und Bilder der Ermordeten und ein Zeitstrahl mit Fotos und Texten der unterschiedlichen Aktionen, die wir über die letzten Jahre in Tübingen zu Hanau organisiert haben. Die Besucher*innen konnten sich im Linken Laden auch die Transparente, Doppelhalter und Schilder der letzten Jahre anschauen. Außerdem gab es einen Infotisch mit Flyern, Stickern und Büchern sowie eine Hörstation, an der wir den Stimmen der Angehörigen der Ermordeten Raum gegeben haben. Bei Kaffee und selbstgebackenen Kuchenspenden konnten die Besucher*innen der Ausstellung auf einer Pinnwand aufschreiben, was Erinnern für sie bedeutet: „Keine leeren Worte! Aktiv Werden! Schulter an Schulter!“/“Betroffenen zuhören“/“Migrantische Selbstorganisierung aufbauen!“/“Kämpfen gegen Rassismus und dieses ausbeuterische System!“/“Das System bekämpfen, das rassistischen Terror ermöglicht und befeuert!“.

In seinem Vortrag am 21. Februar gedachte Furkan Yüksel zu Beginn den neun Ermordeten aus Hanau, bevor er unter anderem mit Hilfe von Audios und einem Video den Tathergang in Hanau und die Kette des Versagens von Polizei und Staat aufzeigte. Dabei las er ein Kapitel aus dem Buch „Der Tag, an dem ich sterben sollte“ von Said Etris Hashemi. Abschließend stellte er die Arbeit der Initiativen 19. Februar und Ferhat Unvar vor und beantwortete Nachfragen aus dem Publikum. Am Ende der Veranstaltung stand ein kurzer Input zu materialistischer Rassismus-Analyse und die Antwort auf die Frage, wie und wo aktiv werden.

Am Ende des diesjährigen Gedenkens steht neben Trauer und Wut vor allem eine Erkenntnis: Erinnern in all seinen Formen ist wichtig, aber reicht allein nicht aus. Gedenken bedeutet immer auch Kämpfen. Beim Schutz vor rechten Angriffen können wir uns nach wie vor nicht auf Staat und Polizei verlassen.

Die rassistischen Morde von Hanau sind kein isoliertes Phänomen, sondern ein strukturelles Problem des kapitalistischen Systems. Dass in Hanau neun Menschen ermordet wurden, war kein Einzelfall. Deshalb müssen wir Rassismus klar als das benennen, was er ist: kein bloßer Hass, sondern ein historisch gewachsenes Unterdrückungssystem, das wir konsequent bekämpfen müssen. Rassismus ist weiterhin tief in unserer Gesellschaft verwurzelt und das kapitalistische System profitiert von Rassismus als Instrument der Ausbeutung und Spaltung von uns Lohnabhängigen. Deshalb muss unser antirassistischer Kampf immer auch ein gemeinsamer Kampf für die Überwindung des kapitalistischen Systems sein.

Wir müssen selbst aktiv werden und im Gedenken an die neun Ermordeten gegen Rechte und Rassist:innen kämpfen. Der Rechte Terror in Hanau zeigt uns, dass wir Rechten frühzeitig entgegentreten, ihre rassistischen Spaltungsversuche entlarven und verhindern und diesen Kampf konsequent und mit allen Mitteln führen müssen, Gemeinsam und im Bündnis mit migrantischen Selbstorganisierungen müssen wir dafür einstehen, dass der antifaschistische Kampf immer auch ein antirassistischer ist.

Wir erinnern, wir gedenken und wir hören nicht auf zu kämpfen!