Kurzbericht: VVN-Gedenkfeier für die Opfer des deutschen Faschismus

Wie in jedem Jahr haben wir uns am Sonntag, 20.11. mit einem Grußwort an der VVN-Gedenkfeier für die Opfer des deutschen Faschismus in Reutlingen beteiligt.

Eine antifaschistische Erinnerungskultur mit Klassenstandpunkt, die den ökonimischen Charakter des Faschismus nicht außen vor lässt, ist ein wichtiger Bestandteil unserer antifaschistischen Arbeit. Für uns, vor allem junge Antifaschist*innen im OTFR, heißt das, die Zusammenarbeit mit der VVN auch an dieser Stelle zu intensivieren, uns aktiv in die Erinnerungsarbeit einzubringen und diese fortzuführen.

Als Redner der VVN BdA sprach Lothar Letsche. Er sprach u.a. über das Mahnmal auf dem Friedhof Unter den Linden, dem ein unermüdlicher Kampf um eine Erinnerungskultur in Reutlingen vorausgeht. Am Sonntag versammelten sich dort ca. 30 Antifaschist*innen, um denen zu Gedenken, die von den deutschen Faschisten ermordet wurden. Den Jüdinnen*Juden , den Sinti*zze und Rom*nja, den Menschen mit Behinderung, den Homosexuellen, den Kommunist*innen, denen die in der Antifaschistischen Aktion aktiv waren und allen anderen Widerstandskämpfer*innen, die im Kampf gegen den Faschismus ihr Leben ließen.

Was die wenigsten wissen: das Mahnmal auf dem Friedhof Unter den Linden ist eigentlich eine Grabstätte. Dort liegen die sterblichen Überreste von 128 Häftlingen, die in deutschen Konzentrationslagern ermordet und zwischen Oktober 1944 und Januar 1945 im Reutlinger Krematorium verbrannt worden sind. Erst im Jahr 2010 wurde das bis dahin anonyme Mahnmal ergänzt mit einer Tafel, auf der deren Namen stehen.

Heute wie damals heißt es also: Erinnern heißt kämpfen!
Und denn je stehen wir hinter der Losung: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Im Folgenden findet ihr unser Grußwort vom Sonntag.

Liebe Antifaschist*innen,

Ich bin heute im Namen des Offenen Treffens gegen Faschismus und Rassismus für Tübingen und die Region hier und wir bedanken uns herzlich bei der VVN BdA für die Einladung heute zu sprechen. Wir wollen gemeinsam mit euch unsere Trauer, um die während des Deutschen Faschismus ermordeten Menschen ausdrücken – wir sind hier, um zu zeigen, dass wir wütend sind und, dass wir nicht vergessen. Wir trauern um die Jüdinnen* Juden, um die Sinti*zze und Rom*nja, um die Menschen mit Behinderung, die Homosexuellen und um die vielen anderen, die Opfer der faschistischen Gräueltaten wurden. Diese Gräueltaten, resultierend aus einer menschenfeindlichen Ideologie, scheinen im historischen Vergleich einmalig und haben an ihrer Brisanz und ihren tödlichen Konsequenzen bis heute nichts eingebüßt.

Genauso wie denjenigen, die aufgrund ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer Behinderung oder ihrer Sexualität ermordet wurden, gedenken wir den Kommunist*innen, denen, die in der Antifaschistischen Aktion aktiv waren und allen anderen Widerstandskämpfer*innen, die im Kampf gegen den Faschismus ihr Leben ließen. Dabei wollen nicht eine vermeintliche Passivität der Opfer betonen, sondern in unserm Erinnern an ihren Tod das in den Vordergrund rücken, was unmittelbar mit diesem verknüpft war: ihr mutiger Antifaschismus und ihre Überzeugung, dass ein gutes Leben für alle möglich ist.

Wir sind traurig und wütend darüber, dass wir niemals Seite an Seite mit den im antifaschistischen Abwehrkampf gefallenen Genoss*innen für unsere gemeinsame Überzeugung einstehen werden können. Doch diese Wut wird zu Widerstand und wir kämpfen mit ihrem Vermächtnis im Herzen. Eine antifaschistische Praxis auf der Straße und kontinuierliche lokale Arbeit halten wir dafür für unerlässlich. Dabei sollen sich unterschiedliche Mittel und Ebenen solidarisch ergänzen, denn es sollen alle, die kein objektives Interesse am Faschismus haben, in den antifaschistischen Kampf eingebunden sein. Neben antifaschistischen Aktionen braucht es deshalb auch breite Bündnisse, wie das Bündnis Gemeinsam und Solidarisch gegen Rechts für Tübingen & Reutlingen, in dem wir u.a. mit der VVN BdA aktiv sind.

Mit dem Krieg in der Ukraine werden imperialistische Interessen um Märkte, Ressourcen und Einfluss nun auch im Globalen Norden militärisch verhandelt. Seit längerem zeichnet es sich an, und jetzt trifft es uns geballt: alles wird teurer und mit der Klimakrise stehen wir vor einer der größten Herausforderungen der Menschheit. Die Widersprüchlichkeiten des Kapitalismus werden immer klarer sichtbar, und die Leidtragenden sind wir. Im Zuge dieser sich zuspitzenden kapitalistischen Krise gewinnen die Rechten an Aufwind und versuchen, berechtigte Sorgen für sich zu nutzen. Sie werden aber nicht einfach so wieder verschwinden – für uns heißt das, ihre pseudosozialen Scheinlösungen zu enttarnen und, auch wenn es ermüdend ist, jeden Infostand, jede Veranstaltung, jede Demo der Rechten zu stören. Auch hier in der Region gibt es genug zu tun! Die faschistische Kleinstpartei „Der III. Weg“, die ihre ideologische Nähe zur NSDAP offen und stolz zugibt, versucht, in Reutlingen mit kleineren Aktionen wie Infoständen auf sich aufmerksam zu machen. Sie beteiligte sich in mal mehr oder weniger organisatorischer Funktion an den reaktionären und rechtsoffenen sog. „Corona-Spaziergängen“ der Querdenken-Bewegung in Reutlingen, an denen bis zu 10.000 Menschen teilnahmen. Die zumindest in Teilen faschistische AfD hat erst letzte Woche zu ihrem sogenannten ‚Herbstempfang‘ in den Reutlinger Spitalhof geladen, bei dem sie sich mit Blick auf die Energiekrise und die Teuerungen mal wieder als ‚Partei der kleinen Leute‘ präsentieren wollte. In Wahrheit arbeitet sie fleißig an der Spaltung der lohnabhängigen Klasse und hetzt seit Jahren gegen Migrant*innen und Andersdenkende.

Nicht erst der rechte Anschlag in Halle und die Ermordung von neun Migrant*innen durch einen Rassisten in Hanau zeigen uns, dass solche rechte Hetze reale Konsequenzen hat. Denn: Die Rechten setzen auch um, was sie sagen – wir brauchen also nicht weniger Antifa, sondern mehr.

Faschismus bedeutet damals wie heute: Mord, Terror und Krieg. Also: strengen wir uns gemeinsam an, bilden und intensivieren wir Bündnisse und zeigen wir klare Kante gegen Rechts, indem wir unser Dagegen-sein in nachhaltigen, konsequenten Antifaschismus überführen. Unterstützt antifaschistische Strukturen, werdet selbst darin aktiv und tragt euren Widerstand auf die Straße!

Denn unser aller Losung lautet: nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!