Kurzbericht: Kundgebung gegen Polizeigewalt am 11. Mai

Gestern, am 11. Mai haben wir in Tübingen zu einer spontanen Kundgebung mit anschließender Spontandemo gegen Polizeigewalt aufgerufen. Ca. 100 Menschen folgten unserem Aufruf. Trauriger Anlass dazu war der Mord von Polizisten an einem migrantischen Mann am 02. Mai in Mannheim. Nur 8 Tage danach erreichte uns die Nachricht vom Tod eines weiteren Mannes, der nach einem Polizeieinsatz verstorben ist, ebenfalls in Mannheim.

Am 02. Mai haben Bullen in Mannheim einen Mann während einer Festnahme brutal misshandelt und umgebracht. Eigentlich wurden sie gerufen, um ihm zu helfen. Stattdessen griffen sie ihn mit Pfefferspray an, knieten sich auf ihn und schlugen ihm mehrfach ins Gesicht. Und auch am 10. Mai wurden die Cops gerufen, um zu helfen.
Beide Tote befanden sich zum Zeitpunkt der Polizeieinsätze in psychischen Ausnahmezuständen. Und auch wenn wir seit gestern Abend wissen, dass die Obduktion der Bullen ergab, dass der Mann am 10. Mai nicht am Schusswaffengebrauches der Cops oder an ihrem brutalen Pfeffersprayeinsatz starb, sondern an seinen Selbstverletzunge. Eines bleibt stehen: der Mann hätte Hilfe gebraucht und jetzt ist er tot.

Die Kundgebung gestern haben wir auch zum Anlass genommen, um unsere grundsätzliche Wut über Polizeigewalt und explizit über rassistische Polizeigewalt zu artikulieren.
Denn Mannheim sind keine Einzelfälle! Polizeigewalt hat System!

Wir sind wütend über den Mord an Rooble Warsam in Schweinfurt 2019, an Amad Ahmad in Kleve 2018, an Matiullah Jabarkhil in Fulda 2018, an Yaya Jabbi in Hamburg 2016, an Ousman Sey in Dortmund 2012, an Christy Schwundeck in Frankfurt/Main 2011, an Dominique Kouamayo in Dortmund 2006, an Oury Jalloh in Dessau 2005, an Laya-Alama Condé in Bremen 2004/05, an Achidi John in Hamburg 2001 und wir sind wütend über die vielen weiteren, teilweise unbekannten Todesfälle migrantischer Menschen durch Polizeigewalt.
Fast alle von ihnen hatten einen Fluchthintergrund und suchten in Deutschland Sicherheit und Schutz.

Unseren Redebeitrag auf der Kundgebung findet ihr im Folgenden. Außerdem sprach die Informationsstelle Militarisierung Tübingen über die Aufrüstung der Polizei und Migrantifa Tübingen sprach über rassistische Polizeigewalt, ihren Ursprung und ihre Hintergründe.

Liebe Genoss*innen, liebe Freund*innen, liebe Tübinger*innen,

In den letzten 8 Tagen sind zwei Menschen in Mannheim durch Polizeieinsätze getötet worden. Uns ist klar: Das sind keine Einzelfälle! Das Problem hat System. Das Problem heißt Polizei.

Letzte Woche Montag wurde ein migrantischer Mann auf offener Straße von Cops totgeprügelt, nachdem ein Arzt des Zentralinstituts für seelische Gesundheit die Polizei um Hilfe gerufen hatte. Gestern Abend starb ein psychisch kranker Mann, nachdem die Bullen ihn mit Pfefferspray befeuerten und ihn ins Bein schossen. In beiden Fällen haben sie die Situation einer psychisch kranken Person eskaliert. Beide Einsätze endeten mit dem Tod eines hilfsbedürftigen Menschen.

Wie so oft übernimmt die bürgerliche Presse unkritisch die Pressemitteilungen und Darstellungen der Polizei, dass es sich um Einzelfälle handele und nichts mit dem gewaltsamen Vorgehen der Polizei zu tun hätte. Dabei wird so getan, als seien Pressemitteilungen der Cops in irgendeiner Form neutrale Quellen.

Auch wenig überraschend wird Polizeigewalt selten von der Justiz verfolgt – eine Narrenfreiheit, die von den Cops ausgenutzt wird und Gewalt zur Folge hat. Nur 2% der Anzeigen gegen Polizist*innen wegen Körperverletzungen führen zu einer Anklage – der Anteil der Verurteilungen ist verschwindend gering.

Dass ausgerechnet zwei psychisch kranke und schutzbedürftige Personen durch Polizeieinsätze starben zeigt: Die Polizei ist weder dazu da Menschen zu helfen, noch ist sie dazu ausgebildet. Sie sind keine Psycholog*innen und keine Sozialarbeiter*innen, sondern bewaffnete Schlägertrupps, denen Jahr für Jahr mehr Geld und mehr Befugnisse zugestanden werden. Sie können und sollen Menschen nicht helfen, sondern nur eskalieren.

Wir sprechen hier nicht von Einzelfällen oder dem Fehlverhalten vermeintlich Einzelner. Ihre Gewalt hat System: Abschiebungen, Räumungen, Vertreibung von Obdachlosen, das Verprügeln von Linken Demonstrant*innen, Racial Profiling und eben der gewaltvolle Umgang mit psychisch kranken Menschen sind nur einige Beispiele.

Denn obwohl uns immer und immer wieder das Gegenteil versucht wird einzureden: Die Polizei ist nicht unser „Freund und Helfer“. Sie soll uns nicht schützen! Denn gerade Menschen mit besonderem Schutzbedürfnis sind im Kapitalismus nicht von Nutzen, sie passen nicht in die Profitlogik: wer nicht arbeiten kann, wird nicht geschützt. Funktion der Polizei ist es, diesen bürgerlichen Staat und seine kapitalistische und rassistische „Ordnung“ aufrecht zu erhalten. Solange sie diese Funktion erfüllt, muss sie repressiv und gewaltvoll sein. Daran werden auch Reformen nichts ändern. Solange dieses System weiter besteht, wird die Gewalt nicht aufhören!

Statt nur Reformen zu fordern, brauchen wir eigene Perspektiven und Strukturen: Migrantischer, antifaschistischer und feministischer Selbstschutz, den wir selbst unabhängig von diesem Staat organisieren. Letztlich kann aber nur ein Bruch mit dem kapitalistischen System ein Ende der Polizeigewalt bedeuten.

Deswegen heißt es auch weiter: No justice. No peace. Fight the police!