Gefunden auf: www.tueinfo.org/cms
„Im Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht am 09. November 1938 haben wir gestern am frühen Abend Wandzeitungen in Tübingen geklebt und drei Banner an Brücken befestigt! Das Ganze haben wir in einem Video festgehalten.
Video: https://vimeo.com/372080160
Wandzeitung: https://de.indymedia.org/sites/default/files/2019/11/Wandzeitung_09_Nove…
Pogrome gestern und heute – was tun?!
Die Verbrechen, die in der Reichspogromnacht begangen wurden sind bis heute unvergleichlich; und trotzdem hat sich grundsätzlichen Bereitschaft Menschen, die nicht ins eigene Weltbild passen zu Hetzen und zu jagen, wenig geändert. Besonders tragisch zeigte sich dies Anfang der 90er als es in Orten wie Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda oder Solingen zu den schlimmsten Pogromen seit Ende des Faschismus an der Macht kam. Dabei wurden Asylsuchende tagelang drangsaliert und ihre Unterkünfte vom wütenden Mob in Brand gesteckt. Die Polizei stand schweigend daneben, während große Teile der Zivilbevölkerung untätig blieben oder Ausschreitungen gar begrüßten. Und auch der Fall des NSU machte deutlich: wenn in der BRD systematisch Migrant*innen ermordet werden hat der Staat wenig Interesse an Aufklärung, wenn er nicht gar selbst beteiligt ist. Dieses menschenverachtende Handlungsmuster zieht sich bis zum heutigen Tag wie ein roter Faden durch die Geschichte der BRD. Als auf dem Höhepunkt der sogenannten „Flüchtlingskrise“ im Sommer 2015 viele Schutzsuchende in die BRD gekommen waren, kam es – wie bspw. in Freital, Heidenau, Bautzen und Renchen – immer wieder zu Anschlägen auf Geflüchtetenunterkünfte, insgesamt über tausend Mal. Im August 2018, marschierten Faschisten, darunter auch Teile der AfD, durch Chemnitz. Grund dafür war der Mord an einem jungen Mann, den die Rechten für ihre menschenfeindliche Hetze instrumentalisierten. Folge dessen waren tagelange Pogrome und Hetzjagden in der Chemnitzer Innenstadt. An diesen Tagen wurde deutlich: Die AfD schreckt nicht davor zurück Seite an Seite mit der Identitären Bewegung, Nazi-Hools und anderen faschistischen Gruppierungen und Parteien aufzutreten. Darunter fand sich auch das Reutlinger Gemeinderatsmitglied Hans-Peter Stauch, AfD. Und auch in der Kleinstadt Kandel in Rheinland- Pfalz zeichnet sich ein ähnliches Szenario: nach einem abscheulichen Mord an einem jungen Mädchen durch ihren Freund, finden bis heute, Demos von rechten bis hin zu faschistischen Gruppen in Kandel statt. Mitbegründern des rechten Frauenbündnis Kandel, ist die baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum.
Die AfD bildet heute den parlamentarischen Arm einer faschistischen Bewegung in Deutschland, unter deren Deckmantel auch Gruppen und Parteien wie die IB oder der 3. Weg profitieren. Mit Aussagen von AfD FunktionärInnen versuchen sie die Grenzen des Sagbaren und den Diskurs innerhalb der Gesellschaft nach Rechts zu verschieben und die anderen Parteien vor sich herzutreiben. Die AfD gibt sich gerne als vermeintlich bürgernah und behauptet die Interessen des „kleinen Mannes“ zu vertreten. Das dies mitnichten der Fall ist, zeigt sich bei einem Blick in das Parteiprogramm. Allgemeine Sozialleistungen sollen abgeschafft und Steuersenkungen, die allein den Wohlhabenden nützen, durchgesetzt werden, Bildung soll nicht länger frei zugänglich sein. Sie nimmt die Rolle als rechte Networking-Partei ein. Sie bildet das Scharnier zwischen faschistischen Schlägern auf der Straße und deren Vordenkern. Hetzjagden wie in Chemnitz, sind ohne die geistige Vorarbeit dieser Partei nicht denkbar. In Chemnitz hat sich gezeigt, dass sich der Mob im Zweifel auf der Straße zusammenschließt, um seine Ideologie in die Tat umzusetzen und Jagd auf die zu machen, die er zu seinen Sündenböcken macht. Die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 durch den Faschisten Stephan Ernst ist die logische Konsequenz dieser Denkweise ebenso wie der Anschlag von Halle durch Stephan Balliet, der verschiedenen Theorien zur „jüdischen Weltverschwörung“ nachging und dessen erklärtes Ziel es war, möglichst viele Jüd*innen zu ermorden. Eins ist sicher: In der sich seit Jahren verschärfenden gesellschaftlichen Stimmung wird es weiter zu solchen Hetzjagden und auch zu weiteren Todesfällen kommen.
Doch was bedeutet das für diejenigen, die sich dem Mob entgegenstellen und versuchen den Rechtsruck aufzuhalten? Der Mob spricht die Sprache der Straße und findet sich dort zusammen, um zur Tat zu schreiten. Für alle anderen heißt das: Wir müssen bereit sein, um die Straßen zu kämpfen. Um dies aber tun zu können, reicht es nicht aus, als engagierte Einzelpersonen aufzutreten, sich auf dem Sofa über Wahlergebnisse aufzuregen oder in der Kneipe sein Leid über die aktuellen Zustände zu klagen. Wir müssen uns organisieren, uns zusammenschließen, denn das haben unsere GegnerInnen längst getan. Noch können wir das tun, um gemeinsam zu verhindern, dass sich die Situation weiter verschlimmert. Wir müssen uns bilden, um uns über die wirklichen Ursachen der gesellschaftlichen Probleme bewusst zu werden. Nur so können wir die Verhältnisse so verändern, dass ein gutes Leben für alle möglich ist. Dies müssen wir selbstbestimmt tun, denn in der Vergangenheit war und ist offensichtlich: der bürgerliche Staat wird unseren Kampf gegen Rechts im Zweifel nicht unterstützen. Die rechten Netzwerke in der Bundeswehr (u. A. Hannibal-Komplex) und in der Polizei (u. A. Nordkreuz) die Waffen aus staatlichen Stellen entwenden und sich auf einen Tag X zur Machtübernahme vorbereiten, unterstreichen dies einmal mehr.
Deshalb: Werdet aktiv, schließt euch mit mit all jenen zusammen, die an kein Interesse am Faschismus haben! Widersprecht rechter Hetze, egal wo: Auf der Straße, bei der Arbeit, in der Schule, in der Uni oder im Verein. Besucht die offenen antifaschistischen Treffen in eurer Stadt und tretet ein für eine solidarische Gesellschaft!
Kein Vergeben – Kein Vergessen!
Erinnern heiß kämpfen!“