+++ca. 45 Personen beteiligten sich am 05. September 2019 an der antifaschistischen Kundgebung in Tübingen anlässlich der Landtagswahlen im Osten der BRD+++zwei Reden mit Einschätzungen zu den Wahlergebnissen+++ anschließende Spontandemonstration mit vielen Plakaten, Fahnen und Transparenten+++
Am 05. September versammelten sich ca 45 Antifaschist*innen um auf die Ergebnisse der Wahlen in Sachsen und Brandenburg aufmerksam zu machen. Dort wurde am Sonntag zuvor ein neues Landesparlament gewählt. Auch wenn die schlimmsten Befürchtungen vordergründig ausgeblieben sind und es der AfD nicht gelungen ist als stärkste Kraft in die Landesparlamente einzuziehen, machen vor allem ihre starken prozentualen Zugewinne die AfD de facto zur Gewinnerin dieser Landtagswahlen. Als Reaktion darauf wurden in mehreren Städten in Baden-Württemberg Kundgebungen als Zeichen der Solidarität mit Antifaschist*innen im Osten abgehalten. In Tübingen waren auf vielen Plakaten Parolen wie: „Nirgendwo wegschauen- überall Widerstand!“ oder „Ob Westen oder Osten- den Rechten keinen Posten“ zu lesen. Zwei Redebeiträge thematisierten dabei die Rolle der AfD am gesellschaftlichen Rechtsruck und die Auswirkungen ihres Abschneiden in Sachsen und Brandenburg. Eine Rede ist in Auszügen diesem Bericht unten angehängt.
Zum Abschluss ereignete sich eine Spontandemonstration durch die Stadt. Dabei wurde deutlich, dass antifaschistischer Widerstand auch in Baden-Württemberg seinen berechtigen Platz hat und die Straße noch immer einen wichtigen Ort politischer Aktivität darstellt.
Nirgendwo wegschauen – Überall Widerstand! Solidarität mit den Antifas in Ostdeutschland!
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
vier Tage sind die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg nun her. Die AfD wird in beiden Bundesländer zweitstärkste Kraft. In Sachsen hat sie mit knapp 28 % der Stimmen ihr Wahlergebnis von 2014 mehr als verdoppelt. In Brandenburg erhält sie knapp 24 %. Auch wenn sie wohl nicht in die Landesregierungen einziehen wird, sind die Ergebnisse erschreckend. Die erdrutschartigen Stimmenzuwächse sind Symbol eines gesellschaftlichen Rechtsruck und kommen einem Wahlsieg gleich. Und das Ergebnis wirkt auch nach innen. Von überall beziehen sich die Landesverbände auf die Wahlen und fühlen sich bestätigt in ihrem Tun:
Ausschreitungen in Chemnitz im Sommer 2018, Pedgidademos, an denen sich tausende beteiligten, faschistische Terrornetzwerke wie der NSU und Angriffe auf Geflüchtete und Linke.
Das Wahlergebnis verwundert uns kaum. Zuspruch erhält die AfD jedoch überall. Nicht zuletzt der Stuttgarter Aufruf, ein Zusammenschluss extrem rechter AfDler, die sich dem Höcke-Flügel zugehörig fühlen, zeigt: wir haben ein Nazi-Problem, auch in Baden-Württemberg! In Burladingen amtiert der erste AfD-Bürgermeister Baden-Württembergs, in Burladingen trafen sich dieses Jahr völkisch-nationalistische AfDler zu einem Vernetzungstreffen und mit 12 % ziehen sie 2016 auch in den hießigen Landtag ein. Deshalb sind wir heute hier, auch in Tübingen, so wie unsere Genoss*innen in Stuttgart und Karlsruhe auf der Strasse, um diese Wahlergebnisse nicht unwidersprochen stehen zu lassen.
Denn egal in welchen Landtag, egal in welchen Gemeinderat, egal in welchen Stadtrat die AfD einzieht, es ist einer zu viel!
Die AfD ist kein neues Phänomen. Doch in ihrer Entwicklung versteht sie es, wie keine
andere Partei unsere Gesellschaft zu spalten. Sie spaltet all jene mit gemeinsamen Interessen, ob es nun um faire Löhne, Wohnraum, sichere Rente oder genügend Kitapläzte geht. Damit werden all jene, die gemeinsam die Kraft hätten für eine solidarische Gesellschaft einzustehen, zu Gegnern.
Die AfD greift die Grundfesten Bestandteile unserer Gesellschaft an. Eine demokratische
Legitimation durch Wahlen ist keine Voraussetzung und stellt vor allem keine Garantie für demokratisches Handeln dar. Demokratische Wahlen hat sie in die Parlamente gebracht – politische Legitimität erhält die AfD dadurch noch lange nicht, da sie gleichsam eifrig daran arbeitet diese Strukturen abzubauen.
Durch Anträge und Anfragen geraten soziale und fortschrittliche Aktivitäten in allen
gesellschaftlichen Bereichen, Teilen der Zivilgesellschaft und der Kultur unter Druck. Trägerinnen und Akteure werden dabei diffamiert und angefeindet, eingeschüchtert und verängstigt. Engagement soll beschnitten und Handlungsspielräume sollen eingeengt werden.
Zuletzt forderte die AfD in Baden Württemberg mit einer Landtagsanfrage die Veröffentlichung der Staatsangehörigkeit von Künstlerinnen die auf den Bühnen Baden Württembergs auftreten. Rassistische Anträge wie diese sind keine Seltenheit. Diese Form von Einschüchterung und Machtdemonstration wollen wir nicht dulden und ihr niemals nachgeben.
Die AfD hat einen maßgeblichen Anteil im rechten Mosaik und ist dessen stärkste parlamentarische Vertretung seit der NSDAP. (noch einfügen) Sie höhlt gesellschaftliche Institutionen aus und verschiebt die Normalität innerhalb dieser Institutionen weiter nach rechts.
Wir bemerken dies durch rechte Netzwerke in der Polizei und Bundeswehr, welche von
Mitglieder der AfD gegründet werden. (Uniter und Nordkreuz als beispiele hierfür)
Und auch in den Parteien an der Macht findet der Rechtsruck seinen Ausdruck. In vorauseilendem gehorsam setzen sie das um, was die AfD fordert: Überwachung, schärfere Asylgesetze und eine starke Polizei. „Es gab keine Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome“, das sagte der sächsische Ministerpräsident Kretschmer, CDU, in Reaktion auf die rechten Aufmärsche 2018 in Chemnitz.
Eine dauernde Verharmlosung und Verleugnung einer aktiven Naziszene ist alles andere als antifaschistisch, im Gegenteil sie stärkt diese und lässt ihr Handlungsspielraum.
Und auch wenn die CDU eine Koalition mit der AfD bis jetzt ausschließt, ist sie weit davon entfernt ihr entschlossen entgegenzutreten!
Der viel zitierte Ausruf „Wehret den Anfängen“ erweist sich für uns heute als eher
unzulänglich. Die AfD ist etabliert und wir alle sind bereits mitten drin! Mitten drin in urbaner Wohnungsnot und dem Rückgang von Räumen in denen wir uns kulturell verwirklichen können. Mitten drin in Debatten über Verschärfungen von Polizeigesetzen und über den Abbau des Sozialstaates. Es finden vor allem diejenigen Gehör, welche für komplexe Fragestellungen die einfachsten Lösungen anbieten und am lautesten Schreien. Wir sehen das auch überall dort, wo Rechte bereits regieren. Ob das nun Orban in Ungarn, Johnson in England und Trump in den USA ist. Oder eben anhand einer sich ausbreitenden AfD in der BRD.
Für uns ist klar: Nicht die AfD zu wählen reicht nicht aus! Antifaschismus muss wieder Selbstverständlichkeit sein!
Und auch im Osten gibt es zahlreiche mutige Menschen, die tagtäglich gegen rechte Hetze und gegen rechte Angriffe kämpfen. Unsere Solidarität gilt all jenen Menschen, die diese notwendige antifaschistische Arbeit leisten.
Wir wollen uns zusammenschließen, organisieren und gemeinsam Rechten keinen Platz bieten und keine Stimme geben. Wir müssen Worten taten folgen lassen, denn nur gemeinsam und auf allen Ebenen können wir den Rechten effektiv schaden. Antifaschistinnenen und Antifaschisten: geht auf die Straße, Protestiert! Widersprecht jeglichen rechten Angriffen! Schaut nirgendwo weg, leistet überall Widerstand!
Um diesen Ansprüche umzusetzen, laden wir euch alle herzlich ein mit uns beim OTFR aktiv zu werden! Hier sind alle willkommen, egal mit welchem Vorwissen, antifaschistisch aktiv zu werden!
Nirgendwo wegschauen – Überall Widerstand!