Am Sonntag, 15. Mai sollte nach zwei Jahren Pause der alljährliche Burschenfrühschoppen der Tübinger Studentenverbindungen statt finden. Gemeinsam mit der Antifaschistischen Aktion Tübingen haben wir Protest dagegen geplant! Jetzt wurde das Burschen-frühschoppen anscheinend wegen Corona abgesagt und auch unser Protest wird deshalb nicht statt finden. Im Folgenden findet ihr trotzdem den Aufruf und Gründe, warum Burschis entgegentreten weiterhin notwendig bleibt!
+++ 15. Mai +++ 09:45 Uhr +++ Tübingen Holzmarkt
Beim Burschenfrühschoppen treffen sich die Tübinger Verbindungen zum gemeinsamen Bratwurstessen und öffentlichen Bier trinken, um sich möglichst bürgernah zu geben.
Der sogenannte Bürgerfrühschoppen löset das bis 2008 stattfindende „Maisingen“ der Tübinger Verbindungen ab. Dabei zogen Burschis mit Fackeln und nationalistischen Liedern durch die Stadt „um den Frühling zu begrüßen“.
Wegen der starken Gegenproteste und den damit verbundenen hohen Kosten für die Stadt wurde das „Maisingen“ in Absprache von Verbindungen, Stadt und Uni schließlich durch den „Bürgerfrühschoppen“ abgelöst. Ein kluger Schachzug, die nationalistischen Lieder und Fackeln durch ein scheinbar öffentliches Fest an einem Sonntag Mittag einzutauschen. Mit dem Wechsel zum Bürgerfrühschoppen sollen die Verbindungstraditionen im Tübinger Stadtbild normalisiert und deren reaktionäres Weltbild verschleiert werden.
Trotz neuem Image hin „zu den netten Jungs“ von nebenan, hat sich an der rückwärtsgewandten politischen Ausrichtung und Struktur der Verbindungen nichts verändert: Das Verbindungsmilieu bleibt elitär, patriarchal und rassistisch .
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Mit einem sogenannten Lebensbundprinzip, also einer lebenslangen Mitgliedschaft wird in allen Verbindungen sichergestellt, dass die „Alten Herren“ den jungen Studenten in hohe und einflussreiche Positionen der Politik und Wirtschaft verhelfen. Die meisten Burschis kommen aus gut betuchten Familien, die oftmals schon seit Generationen in Verbindungen sind. Durch diese Seilschaften, also Karrierenetzwerke sichern sich reaktionäre, privilegierte Männerbünde ihren Einfluss in der Gesellschaft. Ein Interesse, daran etwas zu ändern und so die Machtverhältnisse innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu destabilisieren, hat hier keiner. Denn als Teil dieser Seilschaften sind Verbindungsstudenten Profiteure genau dieser Umstände, in denen Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder ihrer Sexualität auf- und abgewertet werden. Damit erfüllen sie eine herrschaftsstabilisierende Aufgabe im Kapitalismus und tragen zum Erhalt sozialer Hierarchien bei.
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Verbindungen sind sozusagen „Transfereinrichtung“ konservativen Gedankenguts: in allen Burschenschaften und in den meisten Verbindungen wird Frauen die Mitgliedschaft untersagt. Auch Verbindungen, die Frauen zulassen oder „Damenverbindungen“ reproduzieren die reaktionären Strukturen und Traditionen der Männerbünde und leben die gleichen patriarchalen Rollenbilder: Frauen als „schmückendes Beiwerk“ und „Quelle der Nation“, deren natürliche Berufung häusliche Reproduktionsarbeit sei. Männern hingegen wird zugesprochen, tapfer und tugendhaft den öffentlichen Raum dominieren zu müssen.
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Obrigkeitstreues, autoritäres Denken und Handeln, Befehl und Gehorsam: In allen Verbindungen gibt es hierarchische Strukturen und abgestufte Mitgliedschaften. Neulinge, sogenannte Füchse müssen ganz unten in der Hackordnung anfangen und sich durch schikanierende Aufnahmerituale beweisen und hoch arbeiten.
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Offenkundige rassistische Regularien oder andere menschenfeindliche Aussagen in der Öffentlichkeit haben erst nach breiter medialer Berichterstattung nachgelassen. Vor wenigen Jahren noch verlangte der Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) eine Art „Ariernachweis“ von seinen Mitgliedern. Auch Tübinger Burschenschaften waren Teil der DB und haben diese erst wegen des schlechten Images verlassen. Trotzdem gibt es weiterhin freundschaftliche Verbindungen zu Burschenschaften des DB. Auch „liberale“ oder „gemäßigte“ Bünde distanzieren sich in Tübingen nicht von ultrarechten Verbindungen mit direkter Nähe zur „AfD“ und der „Identitären Bewegung“, im Gegenteil: sie organisieren sich gemeinsam im „Arbeitskreis Tübinger Verbindungen“ (AKTV).
Wir müssen hinter die Fassade von Verbindungen als studentische Männer-WGs mit Faible für lustige Kostüme und Trinkspiele, gepaart mit Vornehmtuerei blicken. Wir müssen sie als das begreifen, was sie darstellen: als Gefahr für Emanzipation. Als Gefahr für Chancengleichheit. Als Nährboden für rechtes Gedankengut und als reaktionäre Infrastruktur.
Rechte Parteien und Organisationen skizzieren ein Gesellschaftsentwurf, wie er im Verbindungsmilieu bereits täglich gelebt wird: Sexismus, reaktionäres Gedankengut, straffe Hierarchie und Begünstigung der Privilegierten. Es ist daher nicht überraschend sondern politisch konsequent, dass viele Funktionsträger in der „AfD“ mit ihrer Jugendorganisation „JA“ und Akteure anderer Zusammenhänge der Neuen Rechten, Verbindungs-Hintergrund haben.
Auch in den Tübinger Verbindungen geben sich Rechte die Klinke und werden dort als Gäste empfangen. An Beispielen wie Dubravko Mandić (ehemals Teil des faschistischen „Flügels“ in der AfD, heute Nazianwalt), oder Jonathan Rudolph (ehemals Ortsgruppenleiter der „Identitären“ in Tübingen), die sich beide im Verbindungsmilieu in Tübingen herumgetrieben haben, zeigt sich, dass Verbindungen ein fruchtbarer Nährboden für verschiedenste Rechte darstellen und in Tübingen reaktionäre Strukturen und Ideologien überleben und sich entwickeln können.
Wozu das führt, hat sich auch bei einem Angriff auf der Neckarbrücke Ende Januar auf zwei junge Antifaschist*innen mit Glasflaschen gezeigt, bei dem die Angreifer rechte Parolen riefen und danach zu einer Party in die Burschenschaft Straßburger Germania gingen. Auch rassistische und sexistische Übergriffe von Burschis sind in Tübingen keine Seltenheit.
Lasst uns dieses Jahr den Burschenfrühschoppen mit unserem Protesten stören um ganz klar zu zeigen, dass es in Tübingen keinen Platz für sexistische, rassistische und elitäre Verbindungen gibt.
Lasst uns den Burschis nach zwei Jahren Pause endgültig die Lust an ihrer jährlichen Selbstinszenierung nehmen!
Lasst uns rechten Eliten keine Plattform bieten!
Kommt zu den Protesten gegen den Burschenfrühschoppen der Tübinger Verbindungen am Sonntag, 15. Mai um 9:45 auf dem Holzmarkt!