Am Montagabend haben ca. 200 Antifaschist*innen einen geplanten „Lichterspaziergang“ von Querdenken und querdenkennahen Gruppen verhindert. Alle Eingänge zum Marktplatz wurden durch Antifaschist*innen frühzeitig mit Transpis und vereinzelt auch mithilfe von Materialblockaden blockiert. So befanden sich am nur 20 „Querdenker“ auf dem Platz, während die anderen erfolglos um den Marktplatz irrten, auf der Suche nach einem offenen Zugang. Als die „Querdenker“ durch einen Ladenzugang den Marktplatz verließen um sich zusammenzuschließen und durch die Stadt zu ziehen, wurde der mittlerweile 80-100 Personen große Aufmarsch konsequent blockiert und die Querdenker ein paar Gassen weiter von antifaschistischen Blockaden gekesselt, sodass in keine Richtung ein weiterkommen war. Einzelne „Querdenker“ die es mit Hilfe der Cops aus den Kessel schafften und sich zum Abschluss wieder auf dem Marktplatz sammelten wurden von einer Gruppe Antifas, die sich ebenfalls Richtung Marktplatz machten, gestört. Als die, mit der Situation komplett überforderten, Cops nach einiger Zeit den Gegenprotest vom Marktplatz räumten, formierte sich zum Abschluss ein Demonstrationszug, der noch lautstark durch die Tübinger Innenstadt zog, um den Gegenprotest gemeinsam abzuschließen.
Nachdem die Querdenken-Bewegung in Reutlingen vergangenen Samstag mit bis zu 2000 Teilnehmer*innen einen Erfolg für sich feiern konnte und aufgerufen hatten, diese Dynamik auch nach Tübingen zu tragen, war es richtig und wichtig, dass wir diesem Versuch konsequent einen Riegel vorgeschoben haben. Denn während in Tübingen in der Vergangenheit keine offen auftretenden Rechten an den Corona-Protesten teilnahmen, so nimmt es in Reutlingen eine ganz andere Dynamik an. Eine exponentiell wachsende Zahl an Teilnehmer*innen, von Anfang gekoppelt mit Aufrufen des AfD-Kreisverbands und neuerdings auch der faschistischen Kleinstpartei „der dritte Weg“, die in Teilen Ordnerfunktionen übernehmen. Das ist kein Zufall, sondern ein strategisches Vorgehen der Rechten: so zeigt „der dritte Weg“ bundesweit immer mehr Präsenz bei den sog. „Corona-Demos“ und veranstaltete (auch in Reutlingen) Infostände, in denen „zur deutschen Winterhilfe statt Corona-Hysterie“ aufgerufen wird. Aber auch die AfD in Süddeutschland versucht sich als politisches und parlamentarisches Sprachrohr der Querdenken-Bewegung in Stellung zu bringen und von ihr zu profitieren. So veranstaltete sie vergangenen Samstag eine Kundgebung in der Stuttgarter Innenstadt, der 400 Menschen, von der Stuttgarter Querdenken-Gruppe bis hin zur Identitären Bewegung folgte. Auch in Göppingen und Nürnberg hat die rechtspopulistische Partei Kundgebungen angekündigt.
Was passiert, wenn sich Rechte an die Spitze von „Corona-Protesten“ setzen, sehen wir aktuell in Österreich: In Wien und Graz ziehen Zehntausende durch die Straßen, teilweise angeführt von den rassistischen Bannern der Identitären-Bewegung und rechten Hools.
Auch in Sachsen erfahren die „Corona-Spaziergänge“ unter Führung der faschistischen Kleinstpartei „Freie Sachsen“ immer mehr Zuspruch. Hunderte ziehen durch Jena, Freiberg und viele andere Städte im Freistaat. Schon jetzt kommt es zu Angriffen auf Andersdenkende, Migrant*innen und Journalist*innen. Entwicklungen, die es im Südwesten zu verhindern gilt. Denn, eine Massenbewegung unter Führung von faschistischen Kräften ist nicht nur eine unmittelbare Gefahr für viele Menschen, sondern hat auch langfristige Auswirkungen: Die organisierte rechte erweitert mit einer Beteiligung am „Corona-Widerstand“ nicht nur ihren politischen Einfluss; sie lernt und stärkt sich organisatorisch. Die Protest-Welle wird irgendwann verebben, politische Ideologie, praktischer Einfluss, aktive Mitstreiter*innen und gesponnene Netzwerke bleiben.
Das heißt für uns: weiterhin den Rechten nicht die Straße zu überlassen, sondern sie ihnen streitig zu machen! Besonders in Solidarität mit denen, die besonders unter der aktuellen Corona-Krise leiden: die Kranken, denen, die ihre Jobs verloren haben, den Jugendlichen die keine Orte mehr haben, um sich aufzuhalten und alle anderen, die dieses System Tag für Tag, auch schon vor der Pandemie gebeutelt hat!
Denn dass die aktuelle Lage beschissen ist steht fest: Das bürgerliche Pandemie-Management ist krachend gescheitert. Fast zwei Jahre nach Beginn der Pandemie versucht die Regierung die angespannte Situation jetzt mit einer Impfoffensive und erneuten Einschränkungen des öffentlichen Lebens, sowie starker Überwachung in den Griff zu bekommen. Es ist offensichtlich, dass es sich um einen fast verzweifelten Versuch handelt, eine Lage noch in den Griff zu bekommen, die Scholz und Co. Selbst zu verantworten haben.
Wer hat in den letzten Jahrzehnten Krankenhäuser geschlossen und damit die öffentliche Gesundheitsversorgung faktisch abgeschafft? Wer ist für die schlechten Löhne und beschissenen Arbeitsbedingungen in der Pflege verantwortlich? Und wer verhindert eigentlich die Freigabe der Impfpatente und sorgt so für die unvorstellbaren Gewinne einzelner Konzerne statt einer globalen Bekämpfung einer globalen Pandemie? Wer bereichert sich an Maskendeals? Wir könnten die Liste noch lange weiterführen…
Als Linke sind wir nicht verantwortlich dafür, wie es ist. Doch genauso, wie wir die Pflicht habe, durch solidarisches Verhalten einer weiteren Verschlimmerung entgegen zu wirken, genauso entschieden müssen wir die kritisieren und politisch bekämpfen, die dafür verantwortlich sind: Der bürgerliche Staat, seine Funktionsträger*innen und die bürgerlichen Parteien.
Daher werden wir als Linke-Bewegung weiter auf die Straße gehen und dagegen kämpfen! Aber nicht gemeinsam mit „Querdenkern“, Verschwörungsgläubigen, Nazis und Rechtspopulist*innen. Denn den Kampf um Freiheit kämpft man nicht mit Nazis. Das hat die Geschichte oft genug gezeigt!
Deshalb: Nazis aktiv bekämpfen – sich wehren heißt linke Perspektiven entwickeln!
Achtet auf weitere Ankündigungen!