Zeit zu handeln – Demo in Tübingen

+++400 Antifaschist:innen in Tübingen auf der Straße+++Redebeiträge von Radio Wüste Welle, ver.di, Mädchenprojekt aus Tübingen und OTFR+++Solidarität mit den Antifas in Ostdeutschland+++

Anlässlich der vergangenen Wahlen in Sachsen und Thüringen waren wir am 5. September in Tübingen auf der Straße – in Solidarität mit den Menschen im Osten und gegen die Auswirkungen einer starken faschistischen Bewegung und ihre Wahlerfolge. Ob im Osten oder im Westen: Wir kämpfen weiter!

Ein alleinig ostdeutsches Problem sind die Wahlerfolge nämlich nicht. Die Erfahrungen, die die Partei aktuell vor allem im Osten der Republik sammelt, müssen wir als „Leuchtturm“-Projekte verstehen. Sie sind nur Vorboten für das, was die AfD auch in Westdeutschland umsetzen möchte. Und auch bei uns gibt es AfD-Hochburgen. Niemand aus Hamburg, Köln, Stuttgart, Tübingen, Reutlingen, der Schwäbischen Alb, Karlsruhe, Mannheim und und und… sollte sich davor sicher fühlen. Bereits heute sitzt die AfD im Tübinger Kreistag, in Reutlingen hat sie hohe Wahlergebnisse und auf in Albstadt mobilisieren NPD und Identitäre Bewegung dieses Wochenende gegen den CSD.

In der Rede des OTFRs wurden die Hintergründe des AfD-Wahlerfolgs in Ostdeutschland beleuchtet. Besonders hoch ist dort die Angst vor einem sozialen Abstieg und 74 % der Ostdeutschen fühlen sich nach wie vor wie Bürger zweiter Klasse.  Deshalb brauchen wir eine starke linke Bewegung und einen einen klassenbewussten Antifaschismus, der die Rolle der bürgerlichen Parteien für den Aufstieg der Rechten nicht außen vor lässt, der die Ängste und Sorgen der Menschen ernst nimmt, der die Reichen zur Kasse bittet und aktiv wird gegen Sozialabbau und Krieg.

Die Rede von Sozialarbeiter:innen eines Mädchenprojekt aus Tübingen, erläuterte eindrücklich die Gefahren, die von Rechten und Faschisten für die soziale Arbeit mit migrantischen Mädchen und Frauen ausgehen. Bereits in diesem Jahr wurden Aozialarbeiterinnen in Berlin auf Grund ihrer Palästina-Solidarität fristlos gekündigt. Hier zeigt sich auch: es braucht keine AfD an der Macht, auch andere Parteien setzen bereits jetzt eine rechte Realpolitik um.

Das freie Radio Wüste Welle, äußerte sich zum Einfluss rechter Regierungen auf den freien Journalismus. Denn der Angriff auf freie Medien bedeutet die Einschränkung von Medienschaffenden und der Zugang zu Informationen die auch jenseits des rassistischen Weltbilds der AfD sind.

In einem Grußwort einer ver.di Kollegin aus Pirna, sowie in der Rede einer Uni-Personalrätin, wurde der Kampf gegen Rechts in den Betrieben beleuchtet. Durch die geschilderte Situation aus Pirna wurde klar – es ist wichtig, dass wir uns solidarisch mit den Antifaschist:innen aus Ostdeutschland zeigen, noch wichtiger ist es aber, dass wir überall dort, wo es Nazis gibt aktiv werden!

Das nehmen wir uns zu Herzen: unsere Aktionen sind immer auch eine Anlaufstellen für alle, die gegen Rechts aktiv werden wollen. Und viele weitere Gelegenheiten werden kommen, bei denen wir uns vernetzen können und gemeinsame Erfahrungen auf der Straße sammeln. Denn nur so können wir eine schlagkräftige antifaschistische Bewegung aufbauen, die eine klare Haltung, und ein tatsächliches Interesse daran hat, den Faschisten Einhalt zu bieten.

An Tagen wie dem 1. September dürfen wir nicht den Kopf in den Sand stecken. Wir müssen die Situation analysieren, daraus Lehren für unseren Kampf ziehen und dann heißt’s: weitermachen! Weitermachen gegen Faschisten, gegen rechte Realpolitik und Abschiebung, Weitermachen gegen Sozialabbau und den Kapitalismus mit seinen Krisen, weitermachen gegen die rechte Welle – denn gemeinsam können wir sie brechen!

Siamo tutti antifascisti!

Unsere Rede:

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,

wir freuen uns, dass ihr alle heute hier seid und wir in Tübingen ein gemeinsames Zeichen gegen die AfD und andere Faschisten setzen. Denn die Landtagswahlen im Osten sind kein losgelöstes Ereignis und kein „Ostdeutsches“ Problem. Heute wollen wir unsere Solidarität an all die schicken, deren antifaschistischer Alltag bereits anderes aussieht als unserer. An die, die in Anbetracht dieser Ergebnisse nicht den Kopf in den Sand stecken und weiter, auch aus der defensive, kämpfen!

Warum wir heute hier sind ist uns allen klar: Zum ersten Mal seit der Niederlage des deutschen Faschismus 1945 zieht eine faschistische Partei als Siegerin in deutsche Parlamente ein. Und das flankiert von einer allgemeinen Rechtsentwicklung und einer immer stärker werdenden rechten Straßenbewegung.

Gerade letzteres zeigt uns, wie wichtig es ist, dass wir heute gemeinsam auf der Straße stehen und das weiterhin tun. Auch wenn es manchmal müßig erscheint, die Straße ist und bleibt zentraler Ort der politischen Auseinandersetzung. Sie von links zu besetzen ist gerade jetzt notwendiger denn je.

Stärkste Kraft in Thüringen, zweitstärkste Kraft in Sachsen – ähnliche Ergebnisse können wir bei den Wahlen in Brandenburg am 22. September erwarten. Das bedeutet aktuell zwar noch nicht unbedingt, dass die AfD in Regierungsverantwortung kommt – noch scheinen alle anderen Parteien genug unter Druck zu stehen, um sich nicht auf eine Koalition mit der AfD einzulassen. Das muss aber nicht so bleiben, auf eine „Brandmauer“ können wir uns langfristig nicht verlassen – lokale Beispiele waren dafür schon erste Vorboten. Genauso wie die Worte von Friedrich Merz Im Sommerinterview im Juli 2023. Kommunalpolitik sei schließlich „etwas anderes als Landes- und Bundespolitik“, auf kommunaler Ebene hingegen brauche es einen pragmatischeren Umgang.

Umso wichtiger ist, dass wir hier heute gemeinsam stehen und als Antifaschist:innen auf die Straße gehen, darauf wollen und müssen wir aufbauen!

Denn auch auch bundesweit gewinnt die AfD an Zustimmung und immer mehr Menschen wenden sich den Faschisten zu. Direkt vor unsere Haustüre sitzen sie in den Gemeinde- und Kreisräten und bestimmen bei etlichen Fragen jetzt schon mit.

Die rechte Welle rollt also – Zeit, sie zu brechen! – Das war der Slogan für unsere Demo am 1. Juni diesen Jahres in Reutlingen.

Aber was ist diese rechte Welle überhaupt? Die rechte Welle, das ist die in Teilen faschistische AfD. Die Rechte Welle, das sind Porgome gegen Migrant:innen und Geflüchtete, das sind Angriffe auf Linke und das sind Nazimobs, die aktuell überall CSDs und queere Menschen bedrohen. Die Rechte Welle, das sind faschistische Kräfte, die im Windschatten der AfD stärker werden. Das ist der widerwärtige Rassismus, der mehr und mehr gesellschafts- und salonfähig wird. Und zu guter Letzt ist die rechte Welle mehr als die AfD und andere Nazis.

Die rechte Welle ist eine allumfassende Rechtsentwicklung, die auch die anderen Parteien erfasst hat. Hier sei exemplarisch nur genannt, dass der Bundespräsident am dem Tag, an dem ein Faschist die Wahl gewinnt nicht den Kampf gegen den Faschismus zur obersten Priorität macht, sondern die Begrenzung der Migration.

Den Nährboden für den Aufstieg der Rechten bietet nicht zuletzt die breite Unzufriedenheit mit der Politik der Ampel und den großflächigen Abbau sozialer Errungenschaften, das Drücken von Reallöhnen und die Angst vor weiteren Kriegen. Die AfD nutzt die Unzufriedenheit um die Menschen für ihre rechte Agenda zu gewinnen, indem sie Hass auf Migrant:innen schürt ohne die tatsächlichen Ursachen für die sich verschlechternden Verhältnisse zu bekämpfen.

Und die AfD fährt damit gut. Und das, obwohl sie für die meisten ihrer Wähler:innen keine Verbesserungen geplant hat – im Gegenteil.

Erfolg hat sie damit aktuell vor allem in den ostdeutschen Bundesländern.

Das wundert uns ehrlich gesagt wenig. Besonders hoch ist dort die Angst vor einem sozialen Abstieg, besonders oft gaben die Wähler:innen vom vergangenen Sonntag an, der aktuellen Bundesregierung mit ihrer Wahlentscheidung einen Denkzettel verpassen zu wollen und 74 % der Ostdeutschen fühlen sich nach wie vor wie Bürger zweiter Klasse.

Das kommt nicht von ungefähr: Vor nunmehr 30 Jahren wurde die sozialistische DDR, dem größeren, kapitalistischen Teil, der BRD, angeschlossen. Die meisten Menschen ahnten nicht, zu welchen wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Verwerfungen dies im Laufe der Jahre führen würde.

Viele versprachen sich davon die Teilhabe an den sozialen Segnungen der westdeutschen Nachkriegsmarktwirtschaft, die ergänzt werden würden durch ostdeutsche Errungenschaften.

Doch es kam anders. Große Teile der Infrastruktur verschwanden, so bspw. die über 2000 regionalen Kulturhäuser, Frauen wurden in ihrer gesellschaftlichen Lage zurückgeworfen und alle Weichen wurden auf Privatisierung gestellt.

Mit Einführung der „Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion“ in der DDR wurde die Treuhand zur Eigentümerin von 8.000 Kombinaten und Betrieben.

Die Treuhandanstalt sah ihre Aufgabe darin, die Betriebe der DDR, die nach der Währungsunion riesige Verluste schrieben, so schnell als irgend möglich zu verkaufen. Unter teils dubiosen Umständen verscherbelte die Treuhand rund 50.000 Immobilien, knapp 10.000 Firmen und mehr als 25.000 Kleinbetriebe. Die DDR galt in diesen Jahren als ein riesiger Schnäppchenmarkt.

1994 wurde die Treuhand geschlossen. Ihre Bilanz: ein Schuldenberg von sage und schreibe 264 Milliarden D-Mark und mehr als drei Millionen vernichtete Arbeitsplätze, das ist eine Arbeitsplatzvernichtung auf fast die Hälfte. Dieser folgten mehrere Wellen von Arbeitsmigrationen nach Westdeutschland. Fast ein Viertel der Bevölkerung von knapp 17 Millionen Menschen verließ bis heute das Gebiet der ehemaligen DDR. Sie hinterließen eine überalterte und abgehängte Gesellschaft.

Die Geschichte der Treuhand ist eine Geschichte einer gigantischen Umverteilung: Das einstige Volkseigentum war zu 85 Prozent an Westdeutsche, zu 10 Prozent an internationale Investoren und nur zu knapp 5 Prozent an Ostdeutsche übertragen worden.

An der wirtschaftlichen Lage hat sich bis heute nichts grundlegendes geändert. Eine in ihren Strukturen und führenden Köpfen zutiefst westdeutsche Partei – die AfD – begegnet den ostdeutschen Erfahrungen sozialer Deklassierung mit nationalistischen und rassistischen Angeboten und kann dabei auf eine rechte Basis bauen.

Gerade in Sachsen hat die Vorarbeit der NPD in den 1990er und 2010er Jahren den Boden für die Normalisierung der AfD als offen extrem rechte Partei bereitet. Die schnelle Normalisierung der AfD auf kommunaler Ebene, über die sie jetzt geräuschlos Ämter und Funktionen in der Exekutive besetzt, fußt auf der geduldigen Vorarbeit anderer extrem rechter Akteure in den vergangenen Jahrzehnten.

Ein alleinig ostdeutsches Problem sind die Wahlerfolge aber nicht. Die Erfahrungen, die die Partei aktuell vor allem im Osten der Republik sammelt, müssen wir als „Leuchtturm“-Projekte verstehen. Sie sind nur Vorboten für das, was die AfD auch in Westdeutschland umsetzen möchte. Auch bei uns gibt es AfD-Hochburgen. Und niemand aus Hamburg, Köln, Stuttgart, Tübingen, Reutlingen, der Schwäbischen Alb, Karlsruhe, Mannheim und und und… sollte sich davor gefeit fühlen.

Neben unserer Solidarität, die wir heute an alle Menschen im Osten senden, müssen wir die Wahlergebnisse als Auftrag an uns alle verstehen, einen echten und nachhaltigen Antifaschismus zu organisieren.

Einer, der kein Lippenbekenntnis bleibt, sondern der sich jeden Tag in der lokalen Praxis zeigt. Einen klassenbewussten Antifaschismus, der die Rolle der bürgerlichen Parteien für den Aufstieg der Rechten nicht außen vor lässt, der die Ängst und Sorgen der Menschen ernst nimmt und aktiv wird gegen Sozialabbau und Krieg.

Wir brauchen einen kämpferischen Antifaschismus, der sich in der Wahl seiner Mittel nicht begrenzen lässt. Das heißt: wir müssen uns den Nazis dort in den Weg stellen, wo sie auftauchen und ihnen den Raum entziehen, den sich sich nehmen wollen. Wir müssen Infostände blockieren, gegen Veranstaltungen protestieren, Naziaufmärsche verhindern. Dafür sorgen, dass Nazis ihre Räume verlieren. Ihre gesellschaftliche Normalisierung nicht unwidersprochen lassen. Und wir müssen sie, wenn nötig, auch direkt konfrontieren.

Dafür braucht es eine breit aufgestellte, vielfältige antifaschistische Bewegung. Es braucht uns alle, die angesichts des Aufschwungs der Rechten nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern Widerstand leisten.

Anlass dazu gibt es schon diesen Freitag in Albstadt-Ebingen wo Faschisten angekündigt haben den CSD zu stören. Fahrt gemeinsam mit uns um 16:45 Uhr mit dem Zug nach Albstadt und lasst uns dafür sorgen, dass sich Bautzen und Zwickau nicht wiederholen!

Außerdem laden wir euch herzlich zum nächsten Offenen Treffen gegen Faschismus und Rassismus am Mo, 9. September um 19 Uhr in den Linken Laden Trude Lutz ein. Denn wenn wir den Nazis etwas entgegensetzen wollen, müssen wir uns organisieren!

Die Zeit zu handeln ist jetzt!

Alerta Antifascista!