Die folgende Einschätzung lässt die antifaschistischen Proteste gegen PEGIDA in Villingen-Schwenningen am 14. 06. 2015 Revue passieren.
[VS] Abmarschieren statt Aufmarschieren – SBH-Gida läuft nicht, Polizei prügelt trotzdem
Am Sonntag, den 14. Juni 2015, wollte SBH-Gida, der PEGIDA-Ableger im Schwarzwald-Baar-Kreis, zum achten Mal aufmarschieren. Dieses Mal wollten sie – anders als sonst – nicht nur eine Kundgebung abhalten, sondern auch durch die Villinger Innenstadt laufen. Demnach wollten sie sich zunächst am Münsterplatz sammeln, um dann über die Rietstraße, den Romäusring und die Niedere Straße zurück auf den Münsterplatz zu gelangen. Die Polizei hatte bereits Stunden vor dem eigentlichen Beginn der Kundgebung von SBH-Gida die komplette Innenstadt abgeriegelt und vielerorts Gitter aufgestellt. Willkürliche Personen- und Taschenkontrollen fanden den ganzen Tag über statt.
Als Offenes Antifaschistisches Treffen Villingen-Schwenningen hatten wir mehrere Kundgebungen angemeldet – u.a. in der Oberen Straße/Ecke Rietstraße und am Franziskanermuseum, um unseren Protest gegen die menschenverachtende Ideologie möglichst laut und sichtbar in der Nähe der Aufmarschroute auf die Straße tragen zu können. Mit den Kundgebungen konnten wir um 13.30 Uhr anfangen, doch schon bald sperrte die Polizei die Zugänge ab und verweigerte Menschen, die zu den Kundgebungen wollten den direkten Zugang. So mussten Leute, die zu den Protesten wollten, jeweils große Umwege hinnehmen.
Um kurz vor 15 Uhr – also kurz vor Beginn der Kundgebung von SBH-Gida – konnte eine Gruppe von AntifaschistInnen auf die Rietstraße gelangen und somit die geplante Marschroute von Nazis blockieren. Bis 15 Uhr, dem offiziellen Beginn des Aufmarschs, hatten sich bei SBH-Gida auf dem Münsterplatz gerade einmal 20 bis 30 Nazis gesammelt. Angeblich auf Anraten der Polizei verkündeten die SBH-Gida-Organisatoren, dass der Aufmarsch abgesagt sei, vordergründig aufgrund eines aufziehenden Unwetters. Der Schuldige war für die rechten Hetzer in Person des Bürgermeisters schnell gefunden, laut ersten Presseberichten skandierten sie beim Abmarsch „Das war Kubon!“.
Als dies bekannt wurde, kam von der Vöhrenbacher Straße eine weitere Gruppe von etwa 40 AntifaschistInnen. In der Rietstraße wollte man sich mit der anderen Gruppe zusammenschließen und eine antifaschistische Demonstration durch die Innenstadt machen. Doch die Polizei, die – wie die letzten Male bei den Aufmärschen auch schon – erneut auf ein aggressives und martialisches Auftreten setzte, kesselte die zweite Gruppe am Riettor ein.
Die erste Gruppe, die weiterhin die Rietstraße blockierte, beschloss daraufhin die zweite Gruppe von AntifaschistInnen zu unterstützen und begann eine Spontandemonstration über die Rietstraße, Färberstraße, Turmgasse, um dann auf den Romäusring zu gelangen. Hier konnte man mit dem Innenring eine wichtige Verkehrsstraße blockieren, was ganz offensichtlich auch die Polizei überforderte, die daher darauf drängte, von der Straße herunterzugehen. Letztendlich wurde die erste Gruppe von AntifaschistInnen Richtung Riettor in die Nähe der zweiten Gruppe gedrängt, wo man durch Parolenrufe sich mit den gekesselten Menschen solidarisierte.
Voller Körpereinsatz gegen Verletzte
Erst eine halbe Stunde nach der Kesselung kam eine Begründung vonseiten der Polizei für ihr Verhalten. Es folgten mehrere grundlose Prügelattacken. Dann schließlich wurden angebliche „Verstöße gegen das Versammlungsgesetz“ aufgeführt. Nach insgesamt mehr als eineinhalb Stunden bestand die Polizei trotz Verhandlungen darauf, die Personalien aller Eingeschlossenen einzeln aufzunehmen und Kontrollen durchzuführen. Die DemonstrantInnen, die an diesem offensichtlich willkürlichen und schikanösem Vorgang nicht freiwillig teilnehmen wollten, wurden schließlich gewaltsam nach und nach von der Polizei hinausgezogen. Dabei wurden drei Menschen ohnmächtig. Diese wurden, auch als sie bereits offensichtlich bewusstlos am Boden lagen, weiter an den Boden gedrückt. Trotz der Tatsache, dass es den beiden Demonstranten nicht gut ging, wurden sie noch mehrere Meter durch die Polizei über den Boden geschliffen. Auf den Protest der umstehenden AntifaschistInnen behaupteten die Polizisten einen Krankenwagen gerufen zu haben, was gelogen war, der Rettungsdienst wurde von Außenstehenden informiert. Ein Beamter des „Antikonflikt-Teams“ unterstellte den Ohnmächtigen, sie würden simulieren. Die zwei jungen Antifaschisten wurden per Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, wo sie als Notfall versorgt werden mussten.
Die Polizei konnte es kaum abwarten, ihre willkürlichen Schikanen fortzusetzen und bedrängte die Antifaschisten auch noch im Krankenhaus. Noch vor einer ersten ärztlichen Behandlung redeten sie auf einen von ihnen ein. Dabei wurde ihm angeblicher Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen und ihm mitgeteilt gegen ihn würde ermittelt. Der kaum bei klarem Bewusstsein Befindliche wurde versucht zu einer Aussage zu drängen, was er trotz allem verweigerte. Er war kaum in der Lage zu reden oder sich auf irgendeine Art und Weise zur Wehr zu setzen, darüber machten sich die Polizisten auch noch lustig. Nach ihrer Machtdemonstration sah die Polizei von weiteren Schikanen ab und verließ das Krankenhaus wieder.
Verletzte reichen Polizei nicht aus – zwei Festnahmen
Während die restlichen AntifaschistInnen im Kessel kontrolliert wurden, beschloss die Polizei zwei Menschen, denen sie Anzeigen wegen angeblichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte anzuhängen versuchte, länger festzuhalten. Sie wurden auf das Polizeirevier gebracht, dort weggesperrt und ohne weiteres Procedere nach mehr als zwei Stunden wieder freigelassen.
Fazit
Fakt ist: SBh-Gida ist nicht marschiert, weil sie mit nicht einmal 30 Nazis einen mehr als kläglichen Eindruck gemacht hätten. Das schlechte Wetter war hierzu offensichtlich nur eine willkommene Ausrede.
In der Vergangenheit war es des Öfteren so gewesen, dass SBH-Gida ohne die Beteiligung von berühmten Persönlichkeiten nur sehr wenige Leute mobilisieren konnten. Der Versuch durch solch einen Aufmarsch mehr Leute auf die eigene Seite zu ziehen, zeigte augenscheinlich keine Wirkung. Somit können wir festhalten, dass die Gegenstrategie, SBH-Gida und auch die anderen PEGIDA – Anhänger immer mit kontinuierlichem und entschlossenem Widerstand zu konfrontieren, in den vergangenen Monaten erfolgreich gewesen ist.
Die Angriffe der Polizei sollten bloße Schikane darstellen und uns AntifaschistInnen mit der Zeit zermürben und von unserem Widerstand abbringen.
Robert Hertkamp, Sprecher des OAT resümiert: „Jedes Mal auf’s Neue war es für Faschisten und Rassisten mit vielen Unannehmlichkeiten verbunden, an den Aufmärschen teilzunehmen, viele kamen wohl gar nicht erst und die Außenwirkung war auch gleich Null. Das zahlte sich dieses Mal aus. Die Polizei und die Stadt haben aber mal wieder gezeigt, wie sie gegen Menschen vorgehen, die sich gegen faschistische Hetze wirklich engagieren. Was heute in Villingen passiert ist, fügt sich aber ganz gut in unser Bild von Polizei und Staat ein: AntifaschistInnen werden verprügelt und verklagt, Faschisten und Rassisten wird der Weg freigeknüppelt, bei rechter Gewalt wird weggeschaut und wenn’s sein muss massenhaft Akten geschreddert.“
Anekdote am Rande: Freikorps löst sich auf
Wie der Facebook-Seite der vor nicht einmal zwei Monaten gegründeten Kameradschaft „Freikorps Villingen Bodensee“ zu entnehmen ist, haben diese sich heute Nachmittag aufgelöst. Die Fortsetzung künftiger Tätigkeiten erübrige sich, so die Erklärung, man habe die Ziele, die man verfolgt habe, heute erreicht, das könne man am heutigen Tage sagen.
Wir fragen uns, welche Ziele das waren. Vielleicht ging es ihnen ja nur darum zu zeigen, dass sie als aufrechte Deutsche ein mittelgroßes Unwetter – zumindest unbeschadet – überleben können, wenn es schon keinen Aufmarsch gibt.